1895 – 2025: 130 Jahre wissenschaftliche Geographie @FAU in Erlangen
1895 wurde an der damaligen Universität Erlangen eine neue, „außerordentliche“ Professur für Geographie eingerichtet und mit Eduard Pechuel-Loesche besetzt. Dieser nahm zum Sommersemester 1885 seinen Lehrbetrieb in Erlangen auf, so dass wir zum Beginn des Sommersemesters 2025 auf 130 Jahre wissenschaftliche Geographie in Erlangen zurückschauen können.
- An der Universität Erlangen waren bereits im 18. Jahrhundert geographische Vorlesungen angeboten worden, die jedoch vorwiegend „statistische Staaten-, Völker- und Erdbeschreibungen“ (Wirth) im Dienste von Pädagogik und Theologie waren. Die Etablierung einer eigenständigen Professur für Geographie im Jahr 1895 in Erlangen ordnet sich in die frühe Institutionalisierung der Disziplin an den historischen Universitätsstandorten Ende des 19. Jh. ein. Im Kontext der Etablierung eines deutschen Nationalstaates nach 1870 sowie den kolonialen Ambitionen dieses Deutschen Reiches (ab 1884/85 war das Deutsche Reich auch Kolonialmacht) wurde die Geographie zu eine Schlüsselwissenschaft: Fragen und Techniken der Kartographie, Grenzdefinition und Ressourcenerschließung wurden für den Nationalstaat wichtig. Und nicht zuletzt diente die Geographie der territorialen Selbstvergewisserung, z. B. im Hinblick auf kulturelle und wirtschaftliche Einflusssphären, und sollte an Schule und Universität eine nationale Identität fördern.
- Eduard Pechuel-Loesche (1840–1913) hatte zunächst in Leipzig Medizin und Naturwissenschaften studiert. Als Naturwissenschaftler nahm er an mehren Expeditionen in Afrika teil und entwickelte dabei ein Interesse für Fragen der Geographie und der Anthropologie. 1886 habilitierte er in Jena im Fach Erd- und Völkerkunde. Da die Geographie an der Universität Erlangen Ende des 19. Jh. nicht zuletzt auch die Studierenden der evangelischen Theologie auf eine Missionstätigkeit in kolonialen Kontexten vorbereiten sollte, war diese Expeditionserfahrung ein wichtiges Argument für die Berufung von Pechuel-Loesche nach Erlangen.
- Pechuel-Loesche verknüpfte in seinen Lehrveranstaltungen vielfach physisch-geographische, ethnologische und kulturhistorische Aspekte miteinander. Trotz seiner Einbindung in koloniale Projekte und Institutionen zeigt Pechuel-Loesche in seinen Schriften eine für seine Zeit durchaus außergewöhnliche Selbstreflexion und Kritik an den kolonialen Praktiken.
Publikationen von Eduard Pechuel-Loesche (Auswahl):
Pechuel-Loesche, E. (1885). Die Bewirtschaftung tropischer Gebiete. Straßburg: Trübner.
Pechuel-Loesche, E. (1907). Volkskunde von Loango. Stuttgart: Strecker & Schröder.
Einige seiner Werke sind über Wikisource verfügbar.
Weiterführende Literatur:
Heintze, B. (Hrsg., 2011): Eduard Pechuel-Loesche: Tagebücher von der Loangoküste (Zentralafrika) 24.2.1875 – 5.5.1876 sowie Stichworte zu den Tagebuchaufzeichnungen vom 10.7. bis 19.8.1874. Frankfurt am Main: Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg.
Linnenberg, F. (1963): Eduard Pechuel-Loesche als Naturbeobachter. In: Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft, 10, S. 340–356.
Wirth, E. (1995): 100 Jahre Geographie in Erlangen. Eine Universitätsdisziplin im Kontext übergreifender wissenschaftlicher und hochschulpolitischer Zeitströmungen. Erlanger Geographische Arbeiten, 24, 7-24.
Neben wenigen Beiträgen in den Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft und einem ausführlichen Bericht über die Zeit zwischen 1919 und 1945 steht eine systematische Auseinandersetzung mit der Geschichte bzw. den Geschichten der Erlanger Geographie noch aus. Einige weitere Informationen und Quellen finden Sie auf unseren Internetseiten.
(Zusammenstellung: Georg Glasze)