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PD Dr. Klaus Geiselhart
PD Dr. Klaus Geiselhart, Akad. ORat
Monographie: „Der Wille zur Verantwortung. Transaktionale Anthropologie und Kritik als Mediation“
https://www.velbrueck.de/Programm/Vorschau/Der-Wille-zur-Verantworung.html
Menschen wollen Verantwortung übernehmen, doch der Verantwortung wohnt ein Paradox inne. Man muss sie übernehmen, obwohl man weiß, dass man niemals alle Eventualitäten der Zukunft wird kontrollierten können. Vor dem Hintergrund dieser Unsicherheit bildet jede Person eine individuelle Persönlichkeit aus. Dabei bestimmt sie ein Verhältnis zum eigenen Selbst und zu anderen Menschen. Dieser Prozess lässt sich nur begrenzt steuern, doch lassen sich darin auch Möglichkeiten der menschlichen Handlungsfreiheit bestimmen. Da Persönlichkeiten zwingend individuell sind, sind Gemeinschaften notwendigerweise divers. Sie charakterisieren sich wesentlich durch ihren Umgang mit ihren inneren Andersartigkeiten. Eine infinit diverse Gemeinschaft kann sich nicht über verbindliche Werte definieren, allenfalls in ihrer Art und Weise, wie sie um die Grenzen sozial akzeptablen Verhaltens ringt. Für diese Perspektive ist eine Abkehr von identifizierendem hin zu einem vermittelnden Denken notwendig. Bewegt sich das Denken von »Identitäten« zu »Beziehungen«, dann bedeutet das für die Kritik, dass sie neben dem Imperativ der Reflexion über die eigene Positionalität auch die Notwendigkeit einer verantwortungsvollen Übernahme vermittelnder Überparteilichkeit innerhalb asymmetrischer gesellschaftlicher Beziehungsverhältnisse erkennt. Da Beziehungen immer konkret und situiert sind, reflektiert ein kritischer Personalismus nicht nur strukturelle kategorievermittelte Machtverhältnisse, sondern immer auch konkrete persönlichkeitsinduzierte (Re-)Produktionen sozialer Asymmetrien.
Peer-reviewed
Geiselhart, Klaus; Damm, Maik; Jeske, Niklas; Knappmann, Alexia; Nasser, Gabriela Pen; Roth, Laura Franziska; Unkels, Regine; Winkler, Andrea Sylvia; Wolf, Jennyfer and Timo Falkenberg (2024): Sufficiency health-wise: sustainable paths towards planetary and public health. In: Frontiers in Public Health, 12: 1497657. doi: 10.3389/fpubh.2024.1497657
Geiselhart, Klaus und David Spenger (2023): Environmental microsegregation: Urban renewal and the political ecology of health. In: Urban Planning, 8(1): 296–311. https://doi.org/10.17645/up.v8i1.6057
Spenger, David und Klaus Geiselhart (2022): Kleinräumige Verteilung von Gesundheitsbedingungen in Städten Das Beispiel Erlangen. In: Standort. 46: 76-83. https://doi.org/10.1007/s00548-022-00768-4
Geiselhart, Klaus; Runkel, Simon; Schäfer, Susann und Benedikt Schmid (2021): Praxeologische Feldforschung – Reichweite, Tragweite, Importanz und Relevanz als Analysekategorien. In: Geographica Helvetica, 76, 51–63. doi:10.5194/gh-76-51-2021
Geiselhart, Klaus; Eisemann, Carolin; Feick, Fabian und Stefan Kammerbauer (2020): Poor Doors in Erlangen. Umweltbezogene Mikrosegregation unter Bedingungen der Reurbanisierung: In: s u b \ u r b a n, 8(1/2), 77-98. https://zeitschrift-suburban.de/sys/index.php/suburban/article/view/578/809
Geiselhart, Klaus und Tobias Häberer (2019): „Wenn ich es nicht tue, dann macht’s ein anderer“. Subjektwerdungen und Verantwortung. In: Geographica Helvetica 74, 113-124. doi: 10.5194/gh-74-113-2019
Geiselhart, Klaus (2018): Reasoning matters: Transrational traits of healing in competing medical epistemes in Botswana. In: South African Journal of Philosophy, 37(2), 178-192. doi: 10.1080/02580136.2018.1443775
Geiselhart, Klaus (2018): WHO guidelines challenged in Botswana: traditional medicine between healing, politics and witchcraft. In: Journal of Political Ecology, 25, 169-185. http://dx.doi.org/10.2458/jpe.v25i1
Geiselhart, Klaus (2016): Resources are not everything, and what is a household? A critique of common approaches to analyzing livelihoods. In: African Geographical Review, 37(1), 69-77. doi: 10.1080/19376812.2016.1235501
Geiselhart, Klaus (2015): Praxis ist mehr als Praktiken – Warum moderne Ärzte und spirituelle Heiler im Prinzip das Gleiche tun. In: Geographica Helvetica, 70, 205-214. doi:10.5194/gh-70-205-2015
Geiselhart, Klaus und Matthias Stoll (2013): HIV und AIDS – eine globale Herausforderung für medizinische Episteme und Gesellschaft. In: Hygiene & Medizin. 39(9), 382–388.
Geiselhart, Klaus; Park, Martina; Orlowski, Benedikt und Fabian Schlatter (2012): Die Grounded Theory in der Geographie. Ein möglicher Weg zu Empirie und Theoriebildung nach dem Cultural Turn. In: Berichte zur deutschen Landeskunde 86 (1), 83–95.
Geiselhart, Klaus (2012): „Erfahrung“ wider die kulturtheoretische Weltvergessenheit. Über Performativität, Posthermeneutik, das Asemiotische und die Grenze der Differenztheorie. In: Berichte zur deutschen Landeskunde 86 (1), 31–47.
Geiselhart, Klaus (2010): Stigma and Discrimination – An Integrative Perspective. Spatial Disparities and Their Impact on the Introduction of an Antiretroviral Therapy Scheme for HIV and AIDS Treatment in Botswana. In: Erdkunde, 64(1), 33–45.
Geiselhart, Klaus (2010): Haushaltsökonomie und Sozietät. Gemeinschaftliche Strategien und wirtschaftlicher Organisationsgrad ländlicher Haushalte in Botswana. In: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie, 54(1), 30–45.
Geiselhart, Klaus; Krüger, Fred und Thando Gwebu (2008): Children, Adolescents, and the HIV and AIDS Pandemic: Changing Inter-generational Relationships and Intra-family Communication Patterns in Botswana. In: CYE (Children, Youth and Environment), Nr. 18(1), 99–125.
Weitere Publikationen
Geiselhart, Klaus (2024): Schamanische Welten und spirituelle Heilung. Wege zu planetarem Bewusstsein und Gesundheit. In: Geographische Rundschau, 9: 38-43.
Geiselhart, Klaus; Runkel, Simon; Schäfer, Susann und Benedikt Schmid (2024): Praxeological Research: Analysing the Co-Production of Social Phenomena and Individual Agency. In: Landau-Donelly, Friederike; Carlsson, Hanna und Arnoud Lagendijk (Hrsg.): Reflecting on Practices. New Directions for Spatial Theories. Newcastle, Agenda: 169-188.
Geiselhart, Klaus und Achim Bräuning (2023): forum1.5 goes Mittelfranken – ein Beispiel macht Schule. Zivilgesellschaftliche Impulse, das Reverse Engineering von Wissenschaftlichkeit und Ansätze einer angewandten kritischen Geographie. In: Misga, Manfred; Marx, Julia; Michel, Elena und Lena Roth (Hg.): Wandel erfolgreich gestalten. Möglichkeiten und Ansätze regionaler Transformationsplattformen. München, Oekom: 581-611. https://www.oekom.de/buch/wandel-erfolgreich-gestalten-9783987260124
Geiselhart, Klaus (2022): Evaluationsbericht zum Bürgerbeteiligungsverfahren: Klima-Aufbruch Erlangen. Bürger*innenrat und Stakeholdergruppe. Erlangen. https://erlangen.de/aktuelles/fahrplan-klima-aufbruch-erlangens-weg-zur-klimaneutralitaet
Geiselhart, Klaus (2022): Von einer postkolonialen Epistemologie des Heilens zur politischen Ökologie von Gesundheit. In: Kistemann, Thomas und Jürgen Schweikart (Hrsg.): Geographien der Gesundheit. Beiträge zum 50-jährigen Bestehen des Arbeitskreises Medizinische Geographie und Geographi-sche Gesundheitsforschung in der DGfG. Düren, Shaker: 145-160.
Orlowski, Benedikt und Klaus Geiselhart (2022): Raumgeschichten – mit Karten erzählen. Anregungen für die universitäre Methodenlehre im Gelände. In: Michel, Boris und Finn Dammann (Hg.): Handbuch für Methoden kritischen Kartierens. Bielefeld, Transcript: 205-222.
Geiselhart, Klaus (2021): Der Wille zur Verantwortung. Transaktionale Anthropologie und Kritik als Mediation. Weilerswist, Velbrück Wissenschaft. https://www.velbrueck.de/Programm/Der-Wille-zur-Verantwortung.html
Geiselhart, Klaus (2021): Kritische Geographie als Beruf(ung). Kritik als Mediation und der Wille zur Verantwortung. In: Dickel, Mirka und Hans Jürgen Böhmer (Hg.): Die Verantwortung der Geographie. Orientierung für eine reflexive Forschung. Bielefeld, Transkript: 113-130. https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5665-7
Geiselhart, Klaus (2020): Truth and academia in times of fake news, alternative facts and filter bubbles: A pragmatist notion of critique as mediation. In: Wills, Jane und Robert Lake (Hrsg.): The power of pragmatism: Knowledge production and social inquiry. Manchester, Manchester University Press: 139-156. https://www.jstor.org/stable/j.ctv11vc913
Geiselhart, Klaus (2020): Münchens sozial-ökologische Stadtentwicklung zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In: s u b \ u r b a n, 8(1/2): 219-228. https://zeitschrift-suburban.de/sys/index.php/suburban/article/view/566/818
Klaus Geiselhart und Fred Krüger (2020): Das Corona-Virus und die Politische Ökologie von Gesundheit. Geographie kann mehr als „Big Data“. In: Newsletter des Arbeitskreis Medizinische Geographie und Geographische Gesundheitsfroschung 2/2020: 6-9. https://med-geo.de/wp-content/uploads/2020/12/201201_NL-AK-4-2020.pdf
Geiselhart, Klaus; Winkler, Jan und Florian Dünckmann (2019): Vom Wissen über das Tun – praxeologische Ansätze für die Geographie von der Analyse bis zur Kritik. In: Susann Schäfer und Jonathan Everts (Hrsg.): Handbuch Praktiken und Raum. Bielefeld, Transcript: 21-75.
Everts, Jonathan; Geiselhart, Klaus; Rominger, Sarah und Jan Winkler (2019): Praktiken des Regierens, dominante Projekte, Verantwortung: praxeologische Zugänge zum Thema Macht. In: Susann Schäfer und Jonathan Everts (Hrsg.): Handbuch Praktiken und Raum. Bielefeld, Transcript: 223- 243.
Juraschek, Kim Anna und Klaus Geiselhart (2019): Intersektionalität und die Macht der Kategorie. In: Susann Schäfer und Jonathan Everts (Hrsg.): Handbuch Praktiken und Raum. Bielefeld, Transcript: 245-271.
Geiselhart, Klaus; Hoppe-Seyler, Annika und Cosima Werner (2019): Vom Absetzen theoretischer Brillen und der Öffnung des eigenen Blicks – Reflexionen über praxeologische Methodologien. In: Susann Schäfer und Jonathan Everts (Hrsg.): Handbuch Praktiken und Raum. Bielefeld, Transcript: 361-390.
Geiselhart, Klaus (2017): Call it by its proper name! Territory-ism and territorial stigmatisation as a dynamic model: The case of Old Naledi. In: Kirkness, Paul & Tijé-Dra, Andreas (Ed.): Negative Neighbourhood Reputation and Place Attachment. London 216-234.
Geiselhart, Klaus (2016): Casting the Bones – Ambiguität und Transrationalität in kultureller und wissenschaftlicher Praxis. In: Potysch, Nicolas; Bauer, Matthias (Hrsg.): Deutungsspielräume. Mehrdeutigkeit als kulturelles Phänomen. Frankfurt a. M., 237-261.
Geiselhart, Klaus; Fischer, Sebastian; Kuhnt, Sebastian und Bernadette Mannherz (2015): Projektbericht: Potentiale für Gesundheit im Raum Erlangen/Erlangen-Höchstadt. Von der Krankheitsprävention zur integrativen Gesundheitsförderung.
Geiselhart, Klaus; Schlatter, Fabian; Orlowski, Benedikt und Fred Krüger (2015): The Cultural Sense of Disasters. Practices and Singularities in the Context of HIV/AIDS. In: Krüger, Fred; Bankoff, Greg; Cannon, Terry; Orlowski, Benedikt und Lisa Schipper (Hrsg.): Cultures and Disasters: Understanding Cultural Framings in Disaster Risk Reduction. London, 123-144.
Geiselhart, Klaus (2015): The Dynamics Behind Social Identities – Stigma and Discrimination in Social Encounters. In: Nelson, B. R.: New Developments in Social Identity Research, 39–64.
Krüger, Fred; Geiselhart, Klaus und Peter Schmitz (2014): Culturally sensitive public health makes a difference: The HIV/AIDS disaster and beyond. In: IFRC (2014): World Disasters Report 2014. Focus on culture and risk. Genf, 153–183.
Geiselhart, Klaus (2014): Textbox: What is traditional healing? – WHO guidelines challenged in Botswana. In: IFRC (2014): World Disasters Report 2014. Focus on culture and risk. Genf, 163–164.
Geiselhart, Klaus (2014): Thinking Dimensionally in Social Sciences. An unconventional notion of social space for research on social topics. In: EspaceTemps. Verfügbar unter: http://www.espacestemps.net/articles/thinking-dimensionally-in-social-sciences/
Geiselhart, Klaus (2013): Ist Werlens Sozialgeographie aus praxisphilosophischer Sicht ausreichend praxistheoretisch begründet? In: EWE, 24(1), 32–34.
Antwort auf den Hauptartikel: Benno Werlen (2013): Gesellschaft und Raum: Gesellschaftliche Raumverhältnisse Grundlagen und Perspektiven einer sozialwissenschaftlichen Geographie. In: EWE 24/1, S. 3–16.
Bräuning, Achim und Klaus Geiselhart (2013): Geographie Irans. In: Ludwig Paul (Hrsg.): Handbuch Iranistik. Wiesbaden, 87–94.
Geiselhart, Klaus und Christian Steiner (2012): Pragmatistische Gedanken für die Geographie. In: Berichte zur deutschen Landeskunde 86 (1), 5–16.
Geiselhart, Klaus und Benedikt Orlowski (2012): Pfade des Konsumentenverhaltens. Der Konsument jenseits gängiger Typologien. In: Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft, 58, 347–362.
Geiselhart, Klaus (2010): Konstruktivistische Perspektiven im Spiegel der ihnen zugrunde liegenden Ideologien – eine pragmatistische Betrachtung am Beispiel geographischer Risikoforschung. In: Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft, 57, 121–145.
Geiselhart, Klaus und Benedikt Orlowski (2009): Konsumverhalten und Einkaufserlebnis. Verfügbar unter: http://131.188.100.36/projects/konsum/
Diese Arbeit ist in der speziellen Form einer Webseite veröffentlicht. Alle Inhalte sind auf das Medium zugeschnitten, bis hin zum interaktiven Umgang mit den Ergebnissen.
Geiselhart, Klaus (2009): The Geography of Stigma and Discrimination. HIV and AIDS-Related Identities in Botswana. Saarbrücken. Verfügbar unter: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-290930
Geiselhart, Klaus (2008): Materialität und Performanz im Prozess der Regionalisierung einer Dorfidentität. Die Büchenbacher Kirchweih. Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft. 55, 59–80.
Geiselhart, Klaus und Fred Krüger (2007): Die HIV-/AIDS-Krise – Botswanas strategische Antwort als Vorbild? Geographische Rundschau, 59(2), 54–61.
Geiselhart, Klaus (2006) Stigma, Support Initiatives and the “Directors‘ Dilemma“. Verfügbar unter: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-8494
Krüger, Fred; Herbers, Hiltrud; Bausch, Saskia; Geiselhart, Klaus und Volker Wulff (2001): Die lautlose Tragödie. Roche-Magazin, 68, 4–22.
Radiopublikationen zu geographischen Themen
Geiselhart, Klaus (2003): We people of HIV – with this HIV thing. Leben und lieben mit HIV in Botswana. 53′, Radiofeature, Deutschlandradio Kultur 01.12.2007.
Geiselhart, Klaus (2003): Sprich doch mal Hochdeutsch. Mundartdichtung zwischen Globalisierung und Fragmentierung. 83’16, Radiofeature, Bayern2Radio 02.04.2003.
Geiselhart, Klaus (2002): Sie nennen uns San oder Buschleute. 53’30, Radiofeature, Bayern2Radio 15.09.2002.
Geiselhart, Klaus (2001): Dürre und Diamanten. 28’38, Wissenschaftsendung, Bayern2Radio 12.07.2001.
Fachgebiete und Arbeitsschwerpunkte
Forschung in Fachbereichen
- Planetare Gesundheit und Globaler Wandel
- Geographien der Gesundheit, Krankheit und Heilung
- Transformative Forschung
- Geographische Transformations- und Entwicklungsforschung
- Sozialgeographie
- Stadtgeographie und Urban Studies
Konkrete Forschungsinteressen
- Klimawandel und Gesundheit
- Ansätze der Intersektionalität, des Postkolonialismus und Postdevelopment
- Diversität und Diversitätsmanagement
- Theorien der Kritik und kritische Theorie
-
Pragmatismus und Praxistheorie
Regionale Schwerpunkte
Angebote für Schulen, Hochschulen und Gesellschaften:
Vortrag: Gesundheit – Klimawandel – Umweltgerechtigkeit: Perspektiven für Mensch und Planet
Der Klimawandel hat weltweit Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Extreme Wetterereignisse wie Stürme oder Fluten stellen unmittelbare Gefahren für Leib und Leben dar. In Hitzewellen können Hitzestress und hohe bodennahe Ozonkonzentrationen, insbesondere für ältere Menschen und solche mit Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen, schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Andere Einflüsse vollziehen sich schleichend, wie etwa die Reduzierung pollenfreier Zeiten im Jahresverlauf, die Zunahme von Allergien, Ausbreitung vektorübertragener Krankheiten und zunehmende Hitzebelastungen, insbesondere in Quartieren mit schlechter Ausstattung mit Stadtgrün. Darüber hinaus sind die Folgen des veränderten Klimas und die Reduzierung der Biodiversität für die landwirtschaftliche Versorgung mit gesunden Lebensmitteln unabsehbar.
Leider wird Gesundheit heute weitgehend eindimensional pathogenetisch verstanden, was kaum differenzierte Debatten über gesundheitspolitische Themen zulässt. Die staatliche Gesundheitsförderung Deutschlands setzt den Schwerpunkt auf Verhaltensprävention. In Bewegungs-, Sport- oder Gesundheitskompetenzprogrammen wird vor allem die Eigenverantwortung jedes Einzelnen gefördert. Weniger verbreitet sind hingegen Programme der Verhältnisprävention. Dabei übernehmen Politik und Verwaltungen Verantwortung für die Schaffung gesunder natürlicher, sozialer und wirtschaftlicher Umwelten als gesunderhaltende Settings. Mit dem Klimawandel stellen sich verstärkt auch Fragen der Umweltgerechtigkeit bezüglich der Verteilung von Umweltbelastungen und gesundheitsfördernder Ressourcen. Richtungsweisend sind diesbezüglich Konzepte von planetarer Gesundheit.
Interaktiver Vortrag: Verantwortung in der Klimakrise: Zwischen ökologischem Rucksack und zivilem Ungehorsam
Kann man als einzelne Person etwas gegen die Klimakrise bewirken oder ist das nur machtvollen Entscheidungsträger:innen vorbehalten (politische Verantwortung)? Häufig wird Verantwortung individualistisch verkürzt (Eigenverantwortung) oder mit dem Hinweis auf gesellschaftliche Strukturen zurückgewiesen (Responsibilisierung). Macht das Tun des Einzelnen überhaupt einen Unterschied oder ist Verantwortung nur ein Effekt gesellschaftlicher Diskurse? Der Vortrag beschreibt einen Begriff von personaler Verantwortung, der zeigt, dass sich konkrete Verantwortlichkeiten vor dem Hintergrund widersprüchlicher Praktiken nicht rein rational erfassen lassen. Verantwortlichkeiten müssen hingegen alltäglich situativ erkannt und erfüllt werden. Mit diesem Verständnis von Verantwortung wird es möglich, einen eigenen individuellen Beitrag zu leisten.
Workshop: Meine Identität oder deine Kategorie? Diversität erproben
Wandel zur Nachhaltigkeit muss gestaltet werden. Dabei ist eine demokratische verständigungsorientierte Gesellschaft ist Grundvoraussetzung für soziale Nachhaltigkeit. Sie bedarf der Kompetenz aller Mitglieder sich gegenseitig in Diversität wertzuschätzen. Gerne komme ich zu Ihnen und trainiere mit ihnen gelebte Diversität. Mit den bereitgestellten Unterlagen können Sie den Kurs sicherlich auch selbstständig durch. Der Kurs umfasst 5 Lehreinheiten, die aber auch einzeln oder in anderen Kambinationen durchgeführt werden können.
Materialien zum Download:
- Seminarkonzept Hochschule
- Seminarkonzept Schule
- Präsentation Lehreinheit 3
- Materialien zum Ausdrucken
Kooperationen und Zusammenarbeit
- GHHG (Global Health Hub Germany)
– Arbeitsgruppe Klimawandel und Gesundheit seit Frühjahr 2022 im Leitungskreis
– Arbeitsgruppe Global Urban Health geleitet von Carsten Butsch (Kiel) und Timo Falkenberg (Bonn) - Arbeitskreis Klimakrise & gesellschaftliche Transformation. Deutsche Gesellschaft für Geographie (DGfG)
- Arbeitskreis Medizinische Geographie und Geographische Gesundheitsforschung. Deutsche Gesellschaft für Geographie (DGfG)
- Arbeitskreis Subsaharisches Afrika. Deutsche Gesellschaft für Geographie (DGfG)
- DFG-gefördertes Netzwerk: Bios – Technologien – Gesundheit
- DFG-gefördertes Netzwerk: Forschungsperspektiven nach dem „practice turn“ in den Sozialwissenschaften
Projekte von PD Dr. Klaus Geiselhart
2023-2026:
Klimawandel – Wohnen – Gesundheit. Gestaltung von Wohnquartieren im Sinne des Klimaschutzes und der Gesundheitsförderung. Gefördert durch die Gothaer Stiftung.
2022:
Lebenswelten im Quartier. Von der Sozialraumanalyse zum Settingansatz. In Kooperation mit der Gesundheitsregionplus Erlangen-Höchstadt / Erlangen.
2022:
Evaluierung des Bürger*innenrats Klimaaufbruch der Stadt Erlangen
2019-2021:
Entwicklung eines Konzeptes zur Messung von Umweltgerechtigkeit in der Stadt. In Zusammenarbeit mit dem Amt für Statistik und Stadtforschung der Stadt Erlangen.
2019–2021:
Nachbarschaft, Quartier und Gemeinschaftsbildung im Stadtteil Büchenbach-Nord. In Zusammenarbeit mit dem Amt für Stadtplanung der Stadt Erlangen und Bildung Evangelisch.
2016–2021:
Kritik als Mediaton. Theoretisches Forschungsprojekt zum Selbstverständnis verschiedener kritischer Wissenschaften und zur Frage des Verhältnisses von Kritik und Praxis
2018–2019:
Studien zur Umweltgerechtigkeit in Erlangen. In Zusammenarbeit mit der Gesundheitsregionplus Erlangen-Höchstadt / Erlangen.
2014–2015:
Studie zur politischen Ökologie der Gesundheit in Erlangen/Erlangen-Höchstadt. In Zusammenarbeit mit der Gesundheitsregionplus Erlangen-Höchstadt / Erlangen.
2009–2015:
Forschungen zur HIV-Medikamentenbeibehaltung (Adhärenz) und zu lokalen Vorstellungen von Krankheit und Heilung in Botswana, insbesondere zum Verhältnis zwischen traditioneller und moderner Medizin (DfG-Projekt)
2009:
Studie zum Konsumentenverhalten
2004–2007:
Forschung zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der HIV-/AIDS-Krise in Botswana (DfG-Projekt)
Beschreibung ausgewählter Projekte
Kritik als Mediation
Streit und Konflikt sind nichts Schlechtes, solange auch Versöhnung stattfindet. Auseinandersetzungen sind eine Möglichkeit Standorte deutlich zu machen und so können sie gegenseitiges Verständnis erzeugen. Dies gelingt allerdings nur, sofern auch wieder ein Schulterschluss der Kontrahenten stattfindet. Findet keine Annäherung statt, dann führen Konflikte zu Spaltung und Spannungen. In individualisierten Gesellschaft aber, in denen man sich scheinbar flexibel neuen sozialen Kontakten zuwenden kann, droht die Fähigkeit zur Versöhnung zu schwinden. Damit aber verändert sich maßgeblich die Rolle der Kritik.
Die Kritik, so wird vielfach behauptet, sei in der Krise. Dort, wo sie präzise Missstände benennt, so die Ansicht, bleibe sie wirkungslos. Dort, wo sie missbraucht wird, schüre sie den Unfrieden des neurechten Wutbürgers und dem Kapitalismus, so wird gesagt, sei sie längst zum Schmiermittel seiner Weiterentwicklung geworden. Aufbauend auf einer Zeitdiagnose spürt die vorliegende Arbeit verschiedenen Kritikbegriffen und der Entwicklung kritischer Ansätze in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften nach.
Kritik ist immer auch moralisch. Aber Moral kann nicht mehr als Kitt der Gesellschaft angesehen werden. Jeder Versuch eine Moral für verbindlich zu erklären, wird zu Recht verdächtigt einen Herrschaftsanspruch zu verbergen. In einer liberalen Gesellschaft bekommt Moral leicht den Stellenwert eines (funktions)störenden Moments. Eine KritikerIn führt ihre Kritik gegen einen Sachverhalt aber in der Regel, weil sie die Werte, die ihr persönlich wichtig sind, n diesem Sachverhalt nicht verwirklicht sieht. Das ist das Prinzip einer Kritik als Opposition. Die KritikerIn folgt dabei ihrem Willen zur Verantwortung. Sie stellt ihre Kritik als eine Wahrheit oder als eine Dekonstruktion der konkurrierenden Wahrheit dar. Aber letztlich gehen alle Überzeugungen und Ansichten auf Werthaltungen zurück. Alle Personen (re-)produzieren Wahrheitsansprüche auf Grundlage ihrer mittels Erfahrung erworbenen Haltungen und Überzeugungen. Diese Erfahrungen entstehen in einer Dialektik des Selbst, einer gelebten Spannung zwischen gesellschaftlicher Anpassung und Selbstbehauptung. Eine Person entwickelt ihre Persönlichkeit durch beständige Regulation des eigenen Sozialverhaltens. Was kann ich verändern, was muss ich ertragen und was bin ich bereit hinzunehmen? Auf diese Weise entwickelt ein Individuum, eine Vorstellung davon was wahr und was gut ist. Überzeugungen und Bewertungen sind dabei in beständigem Fluss und die Vorstellung von dem Wahren ist nicht von dem des Guten zu trennen.
Gegenstand jeder Kritik sind also im Grunde immer Wertfragen. Über Werte kann aber nicht in gleicher Weise verhandelt werden, wie über Wahrheiten. Menschen empfinden Wertbindungen, die sich nicht einfach wegdiskutieren lassen. Diese Erkenntnis fordert die KritikerIn dazu heraus, ihren kritischen Blick und Sachverstand zum Ziel der gesellschaftlichen Verständigung zu nutzen. Kritik als Mediation vermittelt zwischen verschiedenen Positionen und befördert auf diese Weise gegenseitiges Verständnis, Anerkennung, produktiven Disput oder gar Versöhnung.
Diese Arbeit versteht sich als geographischen Beitrag zur Theorie der Kritik. Sie fordert zur Betrachtung konkreter und lokalisierter Lebenszusammenhänge auf. Kritik als Mediation ist lokalisierte Kritik. Sie geht davon aus, dass das Benennen von Verantwortlichen und das Zuschreiben von Verantwortung ohne Ansehen der Besonderheiten des konkreten Einzelfalles niemals angemessen sein kann.
bisher dazu:
Geiselhart, Klaus (2021): Der Wille zur Verantwortung. Transaktionale Anthropologie und Kritik als Mediation. Weilerswist, Velbrück Wissenschaft. https://www.velbrueck.de/Programm/Der-Wille-zur-Verantwortung.html
Geiselhart, Klaus (2020): Truth and academia in times of fake news, alternative facts and filter bubbles: A pragmatist notion of critique as mediation. In: Lake, Robert und Jane Wills (Hrsg.): The power of pragmatism: Knowledge production and social inquiry. Manchester, Manchester University Press.
Geiselhart, Klaus; Winkler, Jan und Florian Dünckmann (2019): Vom Wissen über das Tun – praxeologische Ansätze für die Geographie von der Analyse bis zur Kritik. In: Schäfer, Susann und Jonathan Everts (Hrsg.): Handbuch Praktiken und Raum. Humangeographie nach dem Practice Turn, Bielefeld, transcript, 21-75.
Abgeschlossenes Projekt einer Kritik als Mediation:
Zwischen Heilung und Hexerei. Konkurrierende medizinische Espisteme in Botswana
Nach Maßgabe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollen traditionelle Heilverfahren in die jeweiligen nationalen Gesundheitssysteme integriert werden. Die Gründe warum das in Botswana nicht gelingt sind vielfältig, komplex und nicht immer rational begründet. Oft wurde eine Kooperation der beiden Heilungssystemen angestrebt, doch funktioniert sie äußerst selten. Tatsächlich gibt es noch nicht einmal eine rechtliche Grundlage, auf die sich traditionelle Heiler berufen könnten. Sie werden häufig der Irrationalität bezichtigt und geraten häufig in Verdacht, Hexerei zu betreiben. Sie fordern das Recht, ihre Techniken zu praktizieren, und organisieren sich mit einem emanzipatorischen politischen Anspruch, doch sie sind damit kaum erfolgreich.
Es kann gezeigt werden, dass spirituelle Heilpraktiken keineswegs irrational sind, wie das von Seiten der VertreterInnen moderner Medizinadministration und ÄrztInnen häufig behautet wird. Das Konzept der „Transrationalität“ kann der Mediation dienen. Werden traditionelle Heilpraktiken als „transrational“ bezeichnet, dann kann es gelingen den spezifischen Charakter spiritueller Praktiken wertzuschätzen und somit eine bessere Zusammenarbeit zwischen traditionellen Heilern und modernen Ärzten zu befördern.
Das Konzept der Transrationalität wurde als ein Beitrag zur konzeptionellen Dekolonialisierung entwickelt. Es entstand aus einer kritischen Betrachtung der Konkurrenz beider Heilsysteme. Das Nachzeichnen historischer Entwicklungslinien zeigt, wie die christliche Moral, der Dualismus zwischen Tradition und Moderne und die Einführung eines modernen öffentlichen Gesundheitssystems mit dem Glauben an Hexerei verstrickt sind. Der spirituelle Charakter traditionellen Heilens wurde systematisch unterdrückt, sicherlich, weil aus moderner wissenschaftlicher Sicht Schlussfolgerungen, die auf Intuition und Spiritualität beruhen, nicht akzeptiert sind. Sie können nicht als gleichwertig angesehen werden, weil sie nicht auf rationalem Denken beruhen. Die spirituelle Intuition steht jedoch im Einklang mit dem abduktiven Schlussfolgern. Abduktion stellt ein Kernelement aller Denksysteme dar und ist insbesondere für die Entwicklung neuer Hypothesen auch in den modernen Wissenschaften von zentraler Bedeutung.
Geiselhart, Klaus (2018): Reasoning matters: Transrational traits of healing in competing medical epistemes in Botswana. In: South African Journal of Philosophy, 37(2), 178-192, doi: 10.1080/02580136.2018.1443775.
Geiselhart, Klaus (2018): WHO guidelines challenged in Botswana: traditional medicine between healing, politics and witchcraft. In: Journal of Political Ecology 25: 169-185, http://dx.doi.org/10.2458/jpe.v25i1.
Pragmatismus und Geographie
2017 Vortrag: Social criticism? Sure, but how? Opposition and mediation as socio-political attitudes (Tagung: International Conference on Human Geography and the Pragmatic Tradition. Erlangen, 23.-24.05.2017)
2009 fand am Institut für Geographie eine Tagung statt:
Neue erkenntnistheoretische Wege geographischen Denkens – Potenziale des Pragmatismus für die Geographie
Aus dieser Tagung 2009 ist ein Themenheft entstanden:
Pragmatismus. In: Berichte zur deutschen Landeskunde. Bd. 86, H. 1, 2012
Inhalt:
Geiselhart, K.; Steiner, C. (2012): Pragmatistische Gedanken für die Geographie. In: Berichte zur deutschen Landeskunde 86 (1), S. 5–16.
Steiner, C. (2012): Kreative Räume. Handlungstheorie, Pragmatismus und Geographie. In: Berichte zur deutschen Landeskunde 86 (1), S. 17–30.
Geiselhart, K. (2012): „Erfahrung“ wider die kulturtheoretische Weltvergessenheit. Über Performativität, Posthermeneutik, das Asemiotische und die Grenze der Differenztheorie. In: Berichte zur deutschen Landeskunde 86 (1), S. 31–47.
Kersting, P. (2012): Geomorphologie, Pragmatismus und integrative Ansätze in der Geographie. In: Berichte zur deutschen Landeskunde 86 (1), S. 49–65.
Berwing, S. (2012): Jenseits des Sprachkäfigs. Potenziale der Peirce’schen Semiotik für eine Foucault’sche Kulturgeographie. In: Berichte zur deutschen Landeskunde 86 (1), S. 67–81.
Geiselhart, K.; Park, M.; Schlatter, F.; Orlowski, B. (2012): Die Grounded Theory in der Geographie. Ein möglicher Weg zu Empirie und Theoriebildung nach dem Cultural Turn. In: Berichte zur deutschen Landeskunde 86 (1), S. 83–95.
Tagung:
Neue erkenntnistheoretische Wege geographischen Denkens – Potenziale des Pragmatismus für die Geographie
Ort: Institut für Geographie, Universität Erlangen-Nürnberg
Termin: 03. und 04. Dezember 2009
– unterstützt von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung –
Wo liegt der Mehrwert, wenn sich Geographen mit Erkenntnistheorie beschäftigen? Diese und weitere Fragen wurden während der Tagung „Neue erkenntnistheoretische Wege geographischen Denkens – Potenziale des Pragmatismus für die Geographie“ am 3. und 04. Dezember 2009 von einer rund vierzigköpfigen Gruppe interessierter Human- und Physischer Geographen in Erlangen zwei Tage lang diskutiert.
Ziel der von Klaus Geiselhart (Erlangen) und Christian Steiner (Mainz) in Verbindung mit dem Geographie-Master-Kurs der Universität Erlangen organisierten Tagung war es dabei, zu einer kritischen Diskussion des Potenzials des bislang in der Geographie nur rudimentär rezipierten amerikanischen Pragmatismus anzuregen. Der klassische Pragmatismus geht vor allem zurück auf Charles Sanders Peirce, William James, John Dewey und George Herbert Mead und wurde später im so genannten Neopragmatismus von Hillary Putnam, Richard Rorty und John Austin weiterentwickelt. Obwohl der Pragmatismus in einigen Nachbardisziplinen der Geographie, wie der Philosophie, der Soziologie und der Pädagogik prägende Spuren hinterlassen hat, wurde er bisher in der angelsächsischen wie in der deutschen Geographie nur spärlich wahrgenommen, ja ist in weiten Teilen bisher unbekannt unter Geographen. Gleichzeitig lässt sich eine Renaissance des Pragmatismus in benachbarten Disziplinen beobachten und auch in der deutschsprachigen Geographie werden in den letzten Jahren vereinzelt geographische Arbeiten mit dezidiert pragmatischem Hintergrund sichtbar. Im Pragmatismus fußende Konzepte, wie das des Kreativen Handelns oder der Performativität, erfahren auf der fachtheoretischen Ebene immer mehr Aufmerksamkeit und ließen es als lohnen erscheinen, sich mit den Potenzialen des Pragmatismus für die Geographie näher auseinander zu setzen.
Um in die bislang wenig in der Geographie rezipierten Grundkonzeptionen des Pragmatismus etwas näher einzuführen und so eine gemeinsame Arbeitsgrundlage für die Tagung zu schaffen, war es erfreulicherweise gelungen geographieexterne Referenten für die Auftaktvorträge zu gewinnen. Der Philosoph Jens Kertscher (Darmstadt) führte in die „Grundgedanken des Pragmatismus und deren neopragmatistische Wendungen“ ein. Ihm gelang es dabei in sehr prägnanter Weise, Orientierung zu schaffen im Angebot der vielfältig ausdifferenzierten pragmatischen Ansätze. Im Zentrum der Pragmatischen Philosophie steht die Erkenntnis, dass die binären Kategorien wahr/falsch unserer Welt-Erfahrung nicht hinreichend gerecht werden. Wissen nähert sich insofern nicht einer vorexistierenden Wahrheit an, sondern stellt ein kontingentes Erklärungsmuster unserer Lebenswelt dar und entsteht abduktiv im Rahmen kreativer, alltäglicher Forschungspraktiken. Es stellt in diesem Sinne lediglich eine nahe liegende und bewährte Erklärung dar, die Menschen auf der Basis ihrer Wertesysteme und Erfahrungen entwickeln. Der Fachvortrag des Philosophen Helmut Pape (Bamberg) über „Die semiotischen Grundlagen der Erkenntnistheorie des Pragmatismus“ bot eine durchaus herausfordernde Einführung in die Sprachpragmatik von Charles Sanders Peirce während Hans-Joachim Schubert (Mönchengladbach) die Konsequenzen einer pragmatischen Perspektive für ein anderes Verständnis von Handlung skizzierte und dafür die Theorie Kreativen Handelns von Hans Joas von bekannten handlungstheoretischen Ansätzen deutlich abgrenze. Schubert gelang es dabei eindrücklich die Stärken des prozessual und auf Innovation orientierten Handlungskonzeptes des Pragmatismus gegenüber den bekannten Ansätzen zu verdeutlichen. Den Brückenschlag von den philosophischen Grundlagen hinein in die Praxis geographischen Arbeitens unternahm Ute Wardenga (Leipzig), die sich in historischer Perspektive mit den Forschungspraktiken in der klassischen Geographie und insbesondere der Geomorphologie beschäftigte. Sie enthüllte überraschende Parallelen (geomorphologischer) Forschungspraxis bei Penck und Hettner zum Grundkonzept des Erkenntnisprozesses im Pragmatismus. Die Beiträge des ersten Tages lieferten vielfältige Anregungen, um beim gemeinsamen Abendessen bis spät in den Abend die Diskussionen fortzuführen.
Den zweiten Tag eröffnete der Vortrag von Klaus Geiselhart (Erlangen) über „Erfahrung wider die kulturtheoretische Weltvergessenheit“ in dem er theoretisch-konzeptionelle Überlegungen über den Erfahrungsbegriff bei Dewey mit der Vorstellungen eines empirischen Forschungsprojektes zum Konsumverhalten und Einkaufserlebnis bei Studierenden kombinierte und insbesondere auch für die innovative Publikationsform der Studie im Internet Lob erntete. Jonathan Everts (Bayreuth) thematisierte mit seinem Vortrag die Rolle von Emotionen und insbesondere von Angst, die er als eine Art der Bedeutungszuschreibung im reflexiven Verhältnis von Menschen zu ihrer Lebenswelt auffasste. Emotionen tragen so dazu bei, über ihren Einfluss auf alltägliche Praktiken geographische Wirklichkeiten zu produzieren. Christian Steiner (Mainz) thematisierte die Grenzen eines utilitaristischen Handlungskonzeptes in den Wirtschaftswissenschaften am Beispiel der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise und diskutierte, welche Konsequenzen und Potenziale die Hinwendung zu einer pragmatischen Perspektive und dem Modell Kreativen Handelns für wirtschaftswissenschaftliches Arbeiten implizieren würde. Eine „Peirce-pektive auf die Wissenschaftssprache vom Raum“ stellt Stefan Berwing (Mannheim) vor und versucht so mit Hilfe sprachpragmatischer Ansätze die Verwendung des Raumbegriffs im Kontext des Entdeckungszusammenhangs geographischer Forschung näher zu fassen, gleichsam eine „Culture of Geography“ aufzuzeigen. Den Bogen zum geographischen Auftaktvortrag von Ute Wardenga schlug schließlich Philippe Kersting (Mainz) mit einer Reflektion über integrative Ansätze in der Geographie aus einer kulturtheoretisch und pragmatisch informierten geomorphologischen Perspektive.
Anstatt der üblichen Abschlussdiskussion hatten die Organisatoren Peter Weichhart (Wien) und Heiner Dürr (Bochum) gebeten die Tagung inhaltlich jeweils mit einem persönlichen Fazit der Tagung und mit ihrer individuellen Einschätzung möglicher Potenziale des Pragmatismus für die Geographie zu beschließen. Beide strichen zunächst die angenehme und intensive Atmosphäre der Tagung heraus, die einen äußerst produktiven Gedankenaustausch auf hohem Niveau zur Folge hatte. Dies sei auch durch die engagierte und offene Mitarbeit der Teilnehmer, wie durch die großzügig angesetzten Diskussionszeiten ermöglicht worden.
Peter Weichhart hob besonders hervor, dass der Pragmatismus, wie sich im Verlauf der Tagung gezeigt habe, offenbar als Hintergrundtheorie zahlreicher Fachtheorien bereits in die Geographie eingesickert sei, ohne dass dies weithin bekannt sei. Eine explizite Beschäftigung mit dem Pragmatismus erscheine für eine Schärfung des eigenen Standpunktes daher lohnenswert, um eine nachholende Theoretisierung der fachtheoretisch orientierten geographischen Praxis zu erreichen. Eine Stärke des Pragmatismus liege dabei in der Erhöhung der Sensibilität für die Kontextualität des Forschungsprozesses und den prozessualen und performativen Charakter der Wirklichkeitsproduktion. Er bringe als Konsequenz die Aufhebung von Polarisierungen und Dichotomien mit sich, die mittels ihrer sprachlichen Konstitution als quasi-natürliche Unterscheidungen wahrgenommen werden und so unsere Denkmöglichkeiten begrenzten. Für Weichhart bietet der Pragmatismus darüber hinaus gerade für einen sozialkonstruktivistischen Zugang zur lebenspraktischen Realität von Materialität einen möglichen und vielversprechenden Ansatz. Der Pragmatismus sei insofern als Beitrag zu einem theoretisch-perspektivischen Pluralismus zu begrüßen, plädiere er doch sogar für die Verabschiedung von einem Vereinheitlichungsidealismus und öffne so das Feld für mannigfaltige Zugänge zu den Geographien unserer Lebenswelt.
Auch Heiner Dürr unterstrich in seinem Fazit der Tagung das große metatheoretische Potenzial des Pragmatismus für die Konzeptionalisierung von Pluralität und eine nachholende Theoretisierung geographischer Forschungspraxis. Sowohl Peter Weichhart wie auch Heiner Dürr wiesen jedoch auch darauf hin, dass angesichts der stark konzeptionell ausgerichteten Vorträge der Tagung die Frage noch weitgehend offen geblieben wäre, wie pragmatistische Ansätze in konkrete empirische Forschungsfragen auf unterschiedlichen Maßstabsebenen zu integrieren und zu operationalisieren seinen – ein Punkt der für die weitere Fruchtbarmachung des Pragmatismus für die Geographie sicherlich eine der zukünftigen Hauptaufgaben darstellt. Dass die Beschäftigung mit dem Pragmatismus jedoch in besonderem Maße und zuallererst ein zutiefst emanzipatorisches Erkenntnisinteresse bedient und insofern durchaus quer zu den aktuellen wissenschaftspolitischen Ausrichtungen universitärer Forschung hin auf unmittelbare Drittmitteleinwerbungsfähigkeit und Publikationsorientierung liegt wurde von beiden Rednern positiv hervorgehoben und insbesondere von Heiner Dürr mit der Aufforderung an die Vortragenden verbunden, auf ihrem Weg weiterzumachen.
Ganz im Sinne des klassischen Pragmatismus schloss die Tagung damit sowohl mit einem befriedigenden Gefühl wie auch mit ungeklärten Fragen, die Anlass zu neuen Forschungspraktiken liefern dürften. Diese zu adressieren musste diesmal jedoch Aufgabe an eine mögliche Fortsetzung der Tagung in der Zukunft bleiben.
– Dieser Tagungsbereicht ist gleichlautend im Rundbrief Geographie, Heft 223 März 2010 erschienen –