Unternehmerische Rechenschaftspflicht in globalen Lieferketten: Wie effektiv sind neue Sorgfaltspflichtengesetze?

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Foto: Maria-Therese Gustafsson

Kulturgeographisches Kolloquium (KG):

Unternehmerische Rechenschaftspflicht in globalen Lieferketten: Wie effektiv sind neue Sorgfaltspflichtengesetze?

Prof. Dr. Almut Schilling-Vacaflor (WiSo Lehrstuhl für International Business, Society and Sustainability, FAU)

Moderation: Prof. Dr. Georg GlaszeProf. Dr. Sandra JasperProf. Dr. Blake Walker

Der globale Handel ist durch große Lücken im Bereich der Nachhaltigkeitsgovernance gekennzeichnet. Probleme wie die importierte Entwaldung, zunehmende Wasserknappheit und -verschmutzung, gewaltsame Landnahmen und die Verletzung der Rechte von ArbeiterInnen an Produktionsstandorten globaler Güter werden nicht effektiv adressiert. Große Unternehmen und bekannte Marken haben sich insbesondere seit den 1990er Jahren an freiwilligen Standards für Lieferketten beteiligt, die sich jedoch als unzureichend erwiesen haben, um schwerwiegende Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.

Im Rahmen einer neuen Welle regulatorischer Innovationen haben Regierungen des Globalen Nordens und insbesondere die Europäische Union (EU) begonnen, verbindliche Maßnahmen zu ergreifen, die Unternehmen rechtlich für die negativen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeiten an weit entfernten Produktionsstandorten – viele davon im Globalen Süden – verantwortlich machen. Diese wichtige Verlagerung von freiwilligen zu verpflichtenden Maßnahmen wurde als „Verhärtung der Rechenschaftspflicht“ (Moser und Leipold), als „Re-Zentrierung des Staates“ (Bartley) und als „Kaskade einer neuen Norm der extraterritorialen Rechenschaftspflicht“ (Partzsch und Vlaskamp) beschrieben. Durch diverse Mechanismen verstärkter Rechenschaftspflicht (legal, reputational, market, supervisory etc.) im Zuge dieser Maßnahmen könnten Lieferketten sozio-ökologisch gerechter und nachhaltiger gestaltet werden.

In diesem Vortrag möchte ich die Potenziale und Herausforderungen neuer Vorschriften diskutieren, um wichtige Transformationen in Lieferketten herbeizuführen. Nach einem kurzen Überblick zu den diversen neuen rechtlichen Anforderungen werde ich deren Implementierung in europäischen Unternehmen und in Produktionsregionen von Soja und Rindfleisch in Brasilien genauer analysieren. Dabei werde ich auch erste Erkenntnisse von Gerichtsverfahren und Beschwerdemechanismen zu dem französischen Sorgfaltspflichtengesetz und dem deutschen Lieferkettengesetz präsentieren. Während neue Lieferkettengesetze Verpflichtungen von Unternehmen bezüglich der Untersuchung und Adressierung von transnationalen Umwelt- und Menschenrechtsproblemen in ihren Aktivitäten erstmals rechtlich vorgeben und neue Mechanismen für unternehmerische Verantwortung aktivieren, bestehen weiterhin viele Lücken, wie z.B. der starke Fokus auf Prozesse anstatt auf tatsächliche Auswirkungen, die Delegation von Verpflichtungen an „untere“ Akteure in der Lieferkette, fehlende Transparenz und Rückverfolgbarkeit sowie Schwächen beim Zugang zu Abhilfemaßnahmen.

Prof. Dr. Almut Schilling-Vacaflor leitet den Lehrstuhl für International Business, Society and Sustainability an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und ist Mitglied des Center for Human Rights Erlangen-Nürnberg (CHREN). Ihre Forschung fokussiert sich auf Wirtschaft und Menschenrechte, Nachhaltigkeitsgovernance, globale Lieferketten, Umweltgerechtigkeit und Lateinamerika. Gemeinsam mit Prof. Maria-Therese Gustafsson (Univ. Stockholm) leitet Almut derzeit ein Forschungsprojekt über die Rechenschaftspflicht von Unternehmen in globalen Lieferketten mit einem Fokus auf neue Sorgfaltspflichtengesetze. Mehr Informationen: https://www.researchgate.net/profile/Almut-Schilling-Vacaflor

 

Wann: Mittwoch, 29.1.2024 von 12:30 bis 14:00 Uhr
Wo: Präsenz, Seminarraum Tennenlohe, Wetterkreuz 15, 91058 Erlangen.

Vortragsübersicht für das Institutskolloquium im Wintersemester 2024/25.

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Fragen zum Kolloquium?
Organisation: Dr. Julia Kieslinger (KG) (julia.kieslinger@fau.de) & Dr. Sebastian Feick (PG) (sebastian.feick@fau.de)